Sexarbeit, Demokratie und Solidarität: Eine persönliche Lektüreempfehlung

Es gibt Bücher, die begleiten einen weit über das Lesen hinaus. "Warum sie uns hassen" von Ruby Rebelde ist für mich ein solches Buch. Es geht um mehr als nur Sexarbeit. Es geht um Sichtbarkeit, um Macht, um die Frage, wer in einer Gesellschaft mitreden darf. Als Mensch, der sich mit dem Thema auseinandersetzt, habe ich mich in vielen Passagen wiedergefunden. Rubys Buch ist analytisch präzise, politisch klar und persönlich berührend. Es fordert heraus, ohne zu belehren und eröffnet Räume für ein anderes, solidarisches Denken.

Warum sie uns hassen – Ein Buch, das mich tief bewegt

Manche Bücher begleiten einen nicht nur durch ein paar Lesestunden, sie nisten sich ein, lassen einen nicht los, verändern etwas im eigenen Blick auf die Welt.
 So erging es mir mit Warum sie uns hassen, geschrieben von Ruby Rebelde, einem Menschen, den ich sehr schätze und mit dem mich eine enge Bekanntschaft verbindet.
Ich habe Ruby in den letzten Jahren als mutige, kluge und unglaublich reflektierte Person kennengelernt. Dass dieses Buch mit so viel Sorgfalt, Herzblut und Präzision geschrieben ist, überrascht mich kein bisschen. Es ist nicht nur fundiert und umfassend recherchiert, es ist auch zutiefst menschlich. Und gerade das macht es so stark.
Ich selbst habe mich künstlerisch intensiv mit dem Thema Sexarbeit auseinandergesetzt. Mein Stück Kein leichtes Mädchen. Käuflicher Liederabend ist aus vielen Gesprächen mit Sexarbeitenden entstanden. Deshalb trifft Rubys Buch bei mir einen ganz persönlichen Nerv.
Schon auf den ersten Seiten formuliert Ruby eine These, die mich nicht mehr loslässt:


„Sexarbeitsfeindlichkeit schadet nicht ‚nur‘ Sexarbeitenden, sie ist eine Bedrohung für Vielfalt und Demokratie.“


Dieser Satz hallt in mir nach. Denn er stellt klar: Wer Sexarbeitende ausgrenzt, tut das oft mit einem autoritären Gesellschaftsbild im Kopf, eins, das vielen Menschen keinen Platz lässt.

Ein Buch mit Tiefgang, Haltung und Herz
Ruby zeigt auf beeindruckende Weise, wie tief die Ablehnung gegenüber Sexarbeitenden in unserer Geschichte verwurzelt ist. Alte Erzählungen über „White Slavery“, also die Vorstellung, dass alle in der Prostitution Opfer sein müssen, wirken bis heute nach, oft unreflektiert, aber wirkungsvoll.
Ruby macht sichtbar, wie diese Narrative bis heute politischen Einfluss haben, und dabei nicht nur an der Realität vorbeigehen, sondern konkret Schaden anrichten.
Besonders bewegt hat mich der Abschnitt über den Feminismus. Ruby fragt: Was bedeutet es eigentlich, wenn wir von „Emanzipation“ sprechen und dabei ganze Berufsgruppen ausschließen? Ruby schreibt klar und liebevoll zugleich: Ein Feminismus, der Sexarbeitende nicht mitdenkt, verfehlt sein eigenes Ziel. Diese Gedanken haben mir neue Perspektiven eröffnet und viele Gespräche angestoßen.
Und auch das Thema Medien wird nicht ausgespart: Wie oft ist das öffentliche Bild von Sexarbeit durch Angst, Klischees oder Sensationslust geprägt? Ruby stellt diesen Darstellungen gut recherchierte Fakten und persönliche Erfahrungen entgegen und schafft es dabei, nie dogmatisch zu wirken.

Ganz persönlich: Was dieses Buch in mir ausgelöst hat
Während ich gelesen habe, habe ich oft genickt, manchmal geschmunzelt, manchmal geschluckt. Viele von Rubys Beobachtungen kenne ich aus meinen eigenen Recherchen.
Die absurden Fragen, mit denen Sexarbeitende konfrontiert werden „Wie konntest du nur so abrutschen?“ oder „Und was sagt dein Partner dazu?“ habe auch ich in Interviews oft gehört. Ruby kontert sie mit kluger Ironie, und dabei mit viel Würde.
Ruby hat mich darin bestärkt, mit meiner Kunst weiter Räume zu schaffen, in denen andere Stimmen gehört werden.
Ruby ist nicht nur eine geschätzte Kolleg:in, sondern auch eine Freundin geworden. Ich bewundere Rubys Klarheit, den Mut, sich in Debatten einzumischen und die tiefe Menschlichkeit, die auf jeder Seite dieses Buches spürbar ist.

Warum gerade jetzt?
Wir leben in einer Zeit, in der wieder vermehrt über ein Sexkaufverbot diskutiert wird, ohne die betroffenen Menschen wirklich einzubeziehen. Dabei haben Expert:innen längst festgestellt: Ein solches Verbot hilft niemandem, es macht das Leben für viele gefährlicher.
Doch es gibt auch Hoffnung: Sexarbeitende organisieren sich, erheben ihre Stimme, machen eigene Gesetzesvorschläge. Zum 50. Jahrestag des internationalen Hurentags sind in ganz Deutschland Veranstaltungen geplant: voller Kraft, Vielfalt und Selbstbestimmung.
In diesem Kontext ist Rubys Buch ein kraftvolles Plädoyer: für Respekt, für Gerechtigkeit, für einen ehrlicheren Umgang mit Sexualität und Arbeit.

Was bleibt?
Warum sie uns hassen ist kein leichtes Buch, aber ein sehr zugängliches. Es ist klug, bewegend, mutig, und vor allem: wichtig. 
Es hat mich nachdenklich gemacht, aber auch gestärkt. Ich hoffe, viele Menschen lesen es. Nicht nur, um mehr über Sexarbeit zu erfahren, sondern auch, um sich selbst zu hinterfragen.
Denn vielleicht geht es am Ende gar nicht darum, ob wir Sexarbeit „gut“ finden oder nicht.
Vielleicht geht es vielmehr darum, ob wir bereit sind zuzuhören, wirklich zuzuhören.
Und wenn wir das tun, gibt es vielleicht irgendwann weniger Grund, jemanden vorzuverurteilen oder gar zu hassen.

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Danke an den Verein Xenia für die Bereitstellung des Fotos

Datum: 11.07.2025

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